Auf dem Koch-Areal in Zürich wurden vier Wettbewerbe gleichzeitig veranstaltet. Als Siegerprojekte sind drei eigenständige Hochbauten und ein Quartierpark daraus hervorgegangen. Sie führen den heterogenen Charakter des Areals weiter und ergeben insgesamt ein subtiles Ganzes.
Das Prozedere ist neu und erstaunt auf den ersten Blick. Das Amt für Hochbauten hat im Auftrag der vier Bauträgerinnen vier anonyme Wettbewerbe im selektiven Verfahren parallel durchgeführt: ein innerstädtisches Gewerbehaus für Senn auf dem Baufeld A, ein Wohnhochhaus für die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) auf dem Baufeld B, für Kraftwerk 1 ein Wohn- und Gewerbehaus mit Kulturnutzungen auf Baufeld C und ein Quartierpark für Grün Stadt Zürich. Für die Baufelder A, B und C wurden je zehn Architekturteams und für den Quartierpark 15 Landschaftsarchitekturteams zur Teilnahme am Wettbewerb ausgewählt.
Für die Planungsteams bedeutete dieses Verfahren, dass sie einen Projektentwurf ausarbeiten, ohne die unmittelbaren Nachbarschaften zu kennen. Innerhalb ihres Baufelds konnten sie mittels klarer Setzung ihrer Bauten eine städtebauliche Vorstellung formulieren in der Hoffnung, dass diese mit dem zukünftigen Gegenüber entsprechend korrespondiert. Der Fokus lag verstärkt bei der Ausarbeitung der jeweiligen Bauaufgabe, die angesichts der klaren Vorstellungen der Bauträgerschaft in sich schon überaus anspruchsvoll waren.
Bauträgerinnen mit hohen Ansprüchen
Die vier Bauherrschaften haben eine gemeinsame Vision: Es soll ein lebendiges «Koch-Quartier» mit neuen Formen der Kooperation und des Austauschs unter Einbezug des umgebenden Quartiers entstehen. Aus Vertretern der Bauträgerinnen, einem Quartiervertreter sowie Fachleuten aus Architektur und Landschaftsarchitektur setzte sich die gemeinsame Jury interdisziplinär zusammen, und in insgesamt sechs Jurytagen konnten die Siegerprojekte eruiert werden. Der Jury ist es gelungen, für die verschiedenen Baufelder eigenständige Projekte mit spezifischem Charakter und eigener Identität zu prämieren, die sowohl den klaren Vorstellungen der verschiedenen Bauträgerschaften entsprechen als auch ein unaufgeregtes Ganzes bilden.
Hoch hinaus mit gemeinnützigem Wohnungsbau
Auf dem Baufeld B gewinnt das Projekt von Enzmann Fischer. Das 70 m hohe Wohnhochhaus entlang der Flurstrasse schafft den übergeordneten Bezug zum Quartier und reagiert mit Abstufungen auf den fernen Kontext und den eigenen Zeilenbau. Neben dem Hochhaus und dem Zeilenbau mit Wohnungen zum Park ist ein Sockel mit Grossverteiler und Dachgarten vorgesehen. Die konkrete Umsetzung der vertikalen Gemeinschaft, ein wichtiges Anliegen der ABZ, wurde bei diesem Projekt äusserst reichhaltig umgesetzt. Neben der grossen Eingangshalle auf Ebene der Stadt und der Gartenhalle für alle Bewohner auf Ebene des Dachgartens gibt es im Hochhaus die gemeinschaftlichen Wohnetagen, in der immer drei Geschosse zu einem Cluster räumlich zusammengebunden werden.
Dieser überzeugende Ansatz und die qualitätsvollen Wohnungsgrundrisse sollen aufzeigen, dass genossenschaftliches Wohnen auch im Hochhaus funktionieren kann. Beim Zeilenbau übernimmt die vertikale Fassadenbegrünung eine Gliederung der Laubengangerschliessung und gleichzeitig eine Filterfunktion zwischen den einzelnen Wohneinheiten.
Vermittelndes Gewerbehaus
Das Baufeld A mit dem Gewerbehaus besetzt die Ecke des Areals und bildet gleichzeitig das Gelenk zwischen den beiden Wohnbauten. Käferstein & Meister schlagen zusammen mit Murat Ekinci Architekten ein Haus vor, das volumetrisch verschieden auf den Kontext reagiert und eine vermittelnde Haltung einnimmt. Durch einen Versatz in der Kubatur hin zur Flüelastrasse entstehen ein turmartiger und ein horizontaler Gebäudeteil und gleichzeitig ein kleiner Vorplatz vor dem Haupteingang. Auch die Fassaden reagieren je nach Ausrichtung unterschiedlich: Gegen die Flüelastrasse prägen die grossen Fensteröffnungen mit einer feinen Sprossenunterteilung und den prägnanten Sonnenstoren einen industriellen Ausdruck, während die begrünte Loggia zum Park hin auf den ersten Blick fast wie ein Wohnhaus in Erscheinung tritt. Die grossen Raumhöhen der inneren Hallengeschosse verleihen den Fassaden ungewohnte Dimensionen und verstärken die Präsenz im Stadtraum. Der volumetrischen Disposition entspricht auch die innere Organisation. Das turmartige Gebäude mit eigener Anlieferung und Erschliessung könnte als eigene Einheit vermietet werden. Der andere Gebäudeteil besteht aus flexibel unterteilbaren Gewerbeeinheiten.
Wohn- und Gewerbehaus mit Beletage
Das junge Architekturstudio Trachsler Hoffmann überzeugt auf dem Baufeld C mit einem erfrischenden, zeitgenössischen, kollektiven Wohn- und Gewerbehaus. Es rückt sein Gebäude deutlich von der Baufeldgrenze zurück und schafft somit mehr Freiraum und Platz zur bestehende Kohlelagerhalle hin. Durch das Einführen einer Beletage gelingt es den Planern, die Halbprivatheit der Genossenschaftsgemeinschaft von den öffentlichen Gewerbenutzungen im Erdgeschoss abzugrenzen. Sie schaffen eine gemeinschaftliche Plattform, einen Stadtbalkon, gegen die Flüelastrasse und eine ausgestellte Terrasse als zeichenhafte Geste zum Park, die über eine grosse Freitreppe erschlossen wird. Darüber liegen um drei grosse Innenhöfe die Wohngeschosse mit pragmatisch und ökonomisch organisierten Wohnungen. Die Höfe lösen sich nach oben auf zu einer Dachlandschaft.
Kontrastreicher Park
Beim Quartierpark siegt das Projekt «Wild at Heart» von Krebs und Herde Landschaftsarchitekten. Es überzeugt mit einer Zonierung in drei Bereiche: Die grosszügige offene Rasenmitte als vielfältig nutzbare Fläche, die Weite innerhalb des dichten Blocks bietet, der wild bewachsene «jardin sauvage» als Natur- und Erholungswelt sowie die bestehende Kohlelagerhalle. Diese soll auf ihre Grundstruktur zurückgebaut, mit Glasziegeln bedeckt und zur neuen, identitätsstiftenden «Kochhalle» werden. Trotz den verschiedenen Bereichen mit ausgeprägten Charakteren bleibt es dennoch ein Park, der es schafft, die neuen Bauten zusammenzubringen.
Positive Bilanz
«Es hat sich bewährt, die vier Wettbewerbe parallel durchzuführen und durch ein gemeinsames Preisgericht beurteilen zu lassen. Mit dem Entscheid für die vier Siegerprojekte kam die Jury der Vision der Bauträgerinnen, die Überbauung auf dem Koch-Areal als stimmiges Ganzes wahrnehmbar zu machen, einen grossen Schritt näher», resümiert Ursula Müller, Vorsitzende des Preisgerichts. Dies mag in diesem Fall aufgegangen sein, doch stellt sich grundsätzlich die Frage, ob nicht genau in diesem heterogenen Kontext die vertiefte Auseinandersetzung mit Körnung, Nachbarschaftsbildung und Zwischenräumen noch viel stärker hätte thematisiert werden müssen.
In einem nächsten Schritt werden die Projekte mit den rund 340 gemeinnützigen Wohnungen für 900 Menschen und den Gewerbeflächen sowie der Park im Rahmen des Vorprojekts weiterentwickelt. Der private Gestaltungsplan soll Anfang 2021 an den Gemeinderat überwiesen werden. Die Realisierung der Projekte ist gemäss Bauträgerinnen bis 2024 vorgesehen. • Text: Andreas Kohne
Schweizerische Bauzeitung – TEC21, 2019, Heft Nr. 32-33-34, PDF
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