Jung und Alt in einem Haus: Wettbewerb Wohnsiedlung Letzibach D, Zürich Altstetten

In Zürich Altstetten erstellt die Stadt auf dem Areal Letzibach D bis 2021 eine neue Wohnsiedlung. Den Wettbewerb im selektiven Verfahren dafür gewinnen Gut & Schoep Architekten mit Neuland Architektur-Landschaft mit einem grossen Haus.

 

Die Stadt Zürich plant zusammen mit den drei Bauträgerinnen städtische Liegenschaftenverwaltung (LV), Stiftung Alterswohnungen (AW) und Stiftung Wohnungen für kinderreiche Familien (SWkF) eine neue Wohnsiedlung mit 250 gemeinnützigen Wohnungen. Sie erhöht damit die Anzahl der kommunalen Wohnungen und kommt der von den Zürcher Stimmberechtigten geforderten politischen Zielsetzung nach, den Anteil von gemeinnützigen Wohnungen auf dem Stadtgebiet bis 2050 um ein Drittel zu erhöhen. Das dafür vorgesehene Areal Letzibach D in Zürich Altstetten liegt zwischen dem Gleisfeld und der stark befahrenen Hohlstrasse. Im Westen schliesst es direkt an die 2015 erstellte Wohnüberbauung Letzibach C von Loeliger Strub und Adrian Streich Architekten an (vgl. TEC21 38/2015) und bildet gleichzeitig den Übergang zu den SBB-Werkstätten im Osten. Das 10'000 m2 grosse Grundstück in der Zentrumszone Z6 kann dank Arealüberbauung mit einer Ausnützung und Dichte von 278 % bebaut werden. Die Stadt erwarb das Areal 2014 im Sinn einer Mehrwertsabgabe preiswert für 18 Mio. Franken von den SBB. Im Wettbewerb waren insgesamt 250 Wohnungen, zwei Kindergärten mit Hort sowie rund 1500 m2 für Zusatznutzungen auf dem Areal unterzubringen, wobei sich die Flächen der gemeinnützigen Wohnungen an den Vorgaben der kantonalen Wohnbauförderungsverordnung orientieren. Bereits im Voraus war klar, dass die gewünschte Dichte und Unterbringung des Programms nur mit «einem gewissen Anteil an Hochhäusern» erreicht werden kann. Gleichzeitig stand aber auch fest, dass die teuren Hochhausbauten aus ökonomischer Sicht auf ein Minimum zu reduzieren seien, weil das Bauvorhaben und die Bauträgerinnen an die maximalen Erstellungskosten der kantonalen Wohnbauförderung gebunden sind. 

 

Quer, hoch, längs 

Bei den zwölf eingereichten Projekten kristallisierten sich drei verschiedene städtebauliche Ansätze und Haltungen heraus: erstens das Weiterbauen der bereits vorhandenen Baustruktur mit quer zur Hohlstrasse verlaufenden Gebäuden in Anlehnung an die Bebauung Letzibach C. Das Projekt «Fiji» von jessenvollenweider Architekten mit in der Höhe gestaffelten Bauten und einem Parkraum als Abschluss im Bereich der Einmündung Flurstrasse ist ein Vertreter dieser Idee (Rang 6). Zweitens das Bauen in die Vertikale: In diesem Sinn reagieren BS + EMI Architektenpartner mit «Podarcis» und drei Hochhäusern, die jeweils das Programm einer einzelnen Bauträgerin aufnehmen (Rang 5). Durch leichtes Auffächern und Ausdrehen des letzten Gebäudes entsteht bei der Einmündung der Flurstrasse ein kleiner Platz mit grossmassstäblicher Geste. Drittens das Bauen von Grossformen parallel zur Hohlstrasse mit Hochhausakzenten an den Enden: In diesem Ansatz und mit dieser Ausrichtung der Bauten sah die Jury speziell für die Ausformulierung der Aussenräume sowohl gegen das Gleisfeld, aber auch gegen die Hohlstrasse sehr grosses Potenzial im Gegensatz zu den sich wiederholenden und ähnlichen Aussenräumen beim Ansatz mit quergestellten Bauten. Sinngemäss ergeben sich daraus die Rangierungen eins bis drei. 

 

Rambla gegen Mira 

Nach einer anonymen Überarbeitung konnte sich das Projekt «Mira» von Gut & Schoep Architekten und Neuland ArchitekturLandschaft gegen «Rambla» von Esch.Sintzel durchsetzen. Eine einprägsame und mäandrierende Grossform berücksichtigt die verschiedensten Kriterien und reagiert gegen die Strassenkreuzung Hohl- / Flurstrasse mit einem Hochhaus und einem städtischen Raum. Gegen das Gleisfeld öffnet sich das achtgeschossige Gebäude U-förmig und umfasst einen grösstmöglichen Aussenraum. In dem langgezogenen Haus sind in autonomen Gebäudeteilen mit separaten Eingängen die Wohnungen der Stiftung für kinderreiche Familien (SWfK) und die Wohnungen der Liegenschaftenverwaltung (LV) untergebracht. Die tendenziell kleineren Wohnungen der Stiftung Alterswohnungen (SAW) sind im hohen Hausteil kompakt um den Erschliessungskern angeordnet. Mit differenzierten Grundrisstypen wird den unterschiedlichen Anforderungen der drei Bauträgerinnen nachgekommen: Für die kommunalen Wohnungen der Stadt (LV) und die SWkF werden durchgehende Wohnungstypen mit südorientierten Essküchenr.umen und nördlichen Wohnräumen angeboten, teilweise mit inneren Rundläufen oder mit grosszügigen Entrées. Bei den Kleinwohnungen der SAW zonieren eingezogene Balkone zwischen Essküche und Wohnräume. Eine zurückhaltende, einheitliche Fassadengestaltung unterstützt die Idee des grossen Hauses. Die ursprünglichen Verkleidung der Pfeiler und Wandscheiben aus Keramikelementen und Klinkerschalungen sowie die Brüstungen aus gewellten Metalloder Faserzementelementen wurden im Rahmen der Überarbeitung und Kostenoptimierung durch Verkleidungen aus nüchternen Betonplatten ersetzt. Dennoch spricht die Jury von einer «gelassenen, zeitgemässen Architektursprache», fordert aber grosse Sorgfalt bei der weiteren Bearbeitung. Das Projekt «Rambla» von Esch.Sintzel Architekten zusammen mit Berchtold.Lenzin Landschaftsarchitekten mit ursprünglich zwei schlanken Türmen und einer dünnen Zeile tritt von der Hohlstrasse zurück und schafft einen weiten Strassenraum (Rambla) und einen Grünraum auf der Gleisseite (Gleisufer). Um das enge Kostenkorsett einzuhalten, wurde im Rahmen der Überarbeitung auf den zweiten Turm im Westen verzichtet. Dabei ging leider aber auch der dichte und charakteristische Raum zwischen den Hochhäusern zum Letzibach C und dem Labitzke-Turm verloren. 

 

Solide, aber farblos 

Dem Siegerprojekt ist es laut Jury gelungen, «die überaus komplexe Aufgabenstellung mit sehr hohen Anforderungen an den Städtebau, an die Architektur, an die Anordnung der verschiedenen Nutzungen unter Berücksichtigung der verschiedenen Parameter wie Lärmexposition, Gleisquerung sowie ökologische und ökonomische Aspekte auf eindrückliche Art in Einklang zu bringen». Alles wurde mit durchgängiger Schlüssigkeit und Präzision durchgearbeitet, aber irgendwie fehlt dennoch das gewisse Etwas oder das für den Ort identitätsstiftende Momentum. • Text: Andreas Kohne

TEC21 Heft 26/2016 (PDF Datei)

© Andreas Kohne